NJV-Roadtrip - Siebter Halt: Rot-Weiß Visbek

Monatlich begeben wir uns auf eine kleine Erkundungstour durch die niedersächsische (Judo-)Vereinslandschaft. Ob große oder kleine Clubs, leistungs- oder breitensportorientierte Schwerpunkte, Judo für jung oder alt - viele Vereine bieten außergewöhnliche Angebote für ihre Mitglieder, die wir Euch einmal im Monat vorstellen.

In unserem sommerlichen NJV-Roadtrip machen wir uns auf den Weg in den nördlichen Teil des Landkreises Vechta. In den letzten Jahren machte der dort ansässige Verein Rot-Weiß Visbek und seine engagierte Judo-Abteilung unter anderem mit der Ausrichtung großer Turniere wie dem Tiger-Cup und den Norddeutschen Meisterschaften auf sich aufmerksam und ist deshalb einen Besuch auf unserer Vereinsreise wert. Unter der Leitung von Tobias Kostka, der gemeinsam mit Christoph Muhle als Organisationsleiter, der ID-Judo-Verantwortlichen Lena Vogelsang und einem großen ehrenamtlichen Helfer- und Trainerteam das Vereinsgeschehen managed, stellen die unter dem Namen „Judo-Tiger“ bekannten Visbeker so einiges auf die Beine. Ob zu Corona-Zeiten oder im Normalbetrieb – das Angebot für die rund 160 Judoka ist wahnsinnig breit gefächert. Was sich genau hinter der Arbeit der Judosparte des Vereins verbirgt, fragten wir die Judo-Tiger im Interview:

Zurzeit kommen wir um diese Frage nicht drum herum: Wie habt Ihr im Verein die Corona-Krise erlebt und gemanaged?
Im Verein herrschte erstmal große Frustration. Wir haben die Zeit zu Beginn genutzt um mit den Mitgliedern über Facebook oder WhatsApp Kontakt zu halten. Leider erreicht man nicht immer alle dadurch. Aber die Einsicht bei der Mehrheit der Mitglieder war da, dass man etwas machen muss, um den Virus an der Verbreitung zu hindern. Für uns als Judoabteilung oder auch im Gesamtverein Rot-Weiß Visbek e.V. war die Transparenz gegenüber den Mitgliedern ganz wichtig. Alle sollten schnellstmöglich über Bestimmungen und Möglichkeiten informiert werden.

Es scheint, als hättet Ihr trotz Lockdown und Abstandsregelungen viele Aktionen und Trainingseinheiten anbieten können? Wie wurde das Angebot angenommen?
Während des Lockdowns haben wir verschiedene Aktionen gestartet, hierbei ging es darum, etwas über die anderen Sportler zu Hause zu erfahren. Wir hatten Fragebogen zu den täglichen Abläufen, was die Judoka bei Laune hält und ob jemand besondere Empfehlungen hat. Diese Aktion erhielt sehr gute Resonanz. Weiterhin gab es ein Quiz mit 20 Fragen zum Thema Judo. Auch hier nahmen einige Teil und es gab sogar Preise vom Kinogutschein nach Corona bis Sachpreise.
Und dann haben wir circa eine Woche nach Trainingsfreigabe unter freien Himmel mit dem Konditions- und Koordinationstraining begonnen. Hierfür hat unsere Abteilung auch Geld in die Hand genommen um Trainingsausrüstung wie Bulgarian Bags, BattleRopes, Uchi-komi Bänder und andere wichtige Utensilien zu beschaffen. Wichtig war uns ein gutes Konzept im Verein und der Abteilung, um „Sport mit Abstand“ zu realisieren. Deshalb haben wir uns auch die Woche Zeit genommen, um ein Hygienekonzept vor Trainingsaufnahme zu erstellen und alle Trainer damit zu konfrontieren. Die Resonanz bei Trainern, Sportlern und Eltern war sehr gut, sodass wir beim ersten Training über 40 Personen an einem Abend über 2 Trainingseinheiten trainieren konnten.
Unser Sportverein hat Tobias Kostka zum Coronabeauftragten ernannt und mit der Organisation sämtlicher Sportgruppen im Gesamtverein beauftragt. Da war es nur klar, dass auch für Judo Zeiten geplant wurden, denn es ist nicht nur wichtig Judo zu machen, auch der Zusammenhalt in der Gruppe ist wichtig. Gerade nach vielen Wochen der Zurückgezogenheit war es den Sportlern ein Anliegen sich wieder treffen zu können, „miteinander“ etwas zu unternehmen. Auch wenn der Abstand gewahrt werden muss!
Seit mehreren Wochen bieten wir auch für unsere ID Judoka wieder Spaziergänge und gemeinsame Abende an. Ob und wann wir wieder mit ihnen Judo machen können hängt dabei auch immer von gesundheitlichen Aspekten ab.

Auf Instagram und Facebook versorgt Ihr Eure Follower und Mitglieder regelmäßig mit Informationen. Das ist ein enormer zusätzlicher Zeitaufwand im Ehrenamt, oder? Trotzdem: Was sind die Vorteile der Social Media Nutzung?
Unsere Instagramseite wird von ein paar jungen Erwachsenen mit Leben gefüllt, da sie voll in dem Medium stecken. Sie posten gelegentlich Bilder, aber auch lustige Dinge aus dem Judoleben mit den Tigern.
Facebook ist ein wichtiges Medium für uns, um unseren Mitgliedern und getreuen Follower Informationen über unsere Abteilung zu geben. Hier posten wir weitestgehend alles, was die Judoka und andere interessieren könnte. Wir können hier schnell agieren und über das Handy Information sofort teilen. Mit über 500 Follower sind wir sehr gut dabei und freuen uns über jeden, der sich für uns interessiert. Wir teilen aber auch häufig Informationen der Verbände und anderer Vereine, damit diese schnellstmöglich an alle weitergehen. So auch die LSB Corona Infos.

Neben dem alltäglichen Trainingsbetrieb gibt es in Eurer Judosparte viele weitere Angebote für Eure Mitglieder. Was zum Beispiel?
Unter normalen Umständen ist unser Angebot groß. Wir veranstalten jährlich unseren Tiger-Cup mit über 600 Teilnehmern aus ganz Deutschland und eingeladenen Vereinen aus dem Ausland. Vereinsmeisterschaften, Turniere in ganz Deutschland, aber auch die Teilnahmen an den Jugendpokalen ist für uns immer ein großes Highlight, auch wenn wir leider noch keine Erfolge dort erzielten.
Fahrten zu großen Meisterschaften wie den Judo-GrandSlam in Düsseldorf oder die Internationalen Deutschen Meisterschaften im ID Judo sind für unsere Judoka immer gut besucht.
Die Judo-Safari veranstalten wir mit ein paar befreundeten Vereinen gemeinsam. Hier haben wir zwischen 80 und 120 Judoka jedes Jahr in der Halle und nutzen die Zusammenkunft, um mit einer Dojonacht alles abzurunden. Hier tauschen die jungen Judoka sich aus und die Betreuer erzählen gerne ein paar Anekdoten aus ihrem Judoleben. Was nicht fehlen darf ist unsere Sommerfreizeit, die wir wie der NJV lange Jahre in Fürstenau durchgeführt haben. In den letzten Jahren haben wir ein Haus für uns mitten im Wald mit allem was man für eine Woche braucht. Weiterhin führen wir seit letztem Jahr ein Trainingslager mit den TSG Hatten-Sandkrug und dem TUS Esens durch. Leider führen wir die Sommerfreizeit und das Trainingslager dieses Jahr nicht durch. Zum Ende des Jahres haben wir dann noch die Nikolausfeier/ Weihnachtsfeier. Hier gibt es für jedes Mitglied immer eine kleine süße Überraschung.
Unsere ID Judogruppe haben im letzten Jahr zum ersten Mal am inklusiven Herbstlehrgang teilgenommen. Dies kam bei allen Teilnehmern sehr gut an.

Visbek liegt in einer eher ländlichen Region mit verhältnismäßig geringer Bevölkerungsdichte – trotzdem zählt die Judosparte über 100 Mitglieder. Wie schafft Ihr das?
Wir haben glaube ich ein gutes Konzept entwickelt, um unser Training durchzuführen. Unser Trainerstab ist im Verhältnis zu den Mitgliedern ansehnlich. Wir haben alleine 11 Trainer mit der ÜL C Ausbildung im Breiten- wie auch im Wettkampfsport. Weiterhin haben 3 Judoka eine ÜL-B Lizenz für Menschen mit Beeinträchtigung (ID-Judo). Aber was wir sehr fokussieren ist die Ausbildung der Assistenten, um sie an den Verein zu binden, aber auch als Trainer für später zu fördern. So haben wir noch weitere 12 Judoka mit einer Assistentenausbildung. Die Hälfte unserer ÜL-C sind ebenfalls über diesen Weg zu ihrer Lizenz gekommen. Unsere Trainingszeiten sind nur begrenzt und daher ist jede Trainingsminute kostbar. Bei ca. 100 Kindern unter 12 Jahren ist es wichtig eine gute Betreuung zu etablieren. Wir schaffen es dadurch bei einem Teilnehmeraufkommen von durchschnittlich 40-50 Kindern Kleingruppen innerhalb der Trainingseinheit zu bilden. So werden die Judoka durch 1-2 Trainer/Assistenten betreut und erhalten dadurch eine besondere Motivation. Der Betreuungsschlüssel ist dadurch gut und wir halten damit viele Kinder, aber auch die Assistenten und Trainer, da sie schon früh Verantwortung übertragen bekommen.
Seit 2018 „expandieren“ wir auch und haben zwei Judogruppen in Kooperation mit dem TUS Frisia Goldenstedt im Nachbarort eingeführt. Hier trainieren auch ca. 30 Judoka, die unter dem Banner der Judo-Tiger kämpfen. Dieses Konzept funktioniert gut, da die Judoka nicht bis nach Visbek für Judo fahren müssen, dennoch den Sport ausüben können.
Wir haben seit 2 Jahren eine Bambinogruppe von 4-6 Jahre, die guten Anklang findet. Hier trainieren normalerweise ca. 20 Kinder.  Aber auch unsere ID Judogruppe existiert seit 2018 und mit 8-10 Teilnehmern stehen wir auch hier gut da.

Ihr seid Ausrichter des Tiger Cups, einem der größten Turniere in Niedersachsen, bei dem über 600 Kämpfer und Kämpferinnen teilnehmen. Zusätzlich habt Ihr in diesem Jahr die Ausrichtung der NDEM U18 und U21 – die von vielen sehr gelobt wurde - übernommen. Was für ein Team steckt hinter der Organisation dieser Meisterschaften?
Was wäre ein Verein ohne die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer!? Judoka, Eltern, aber auch Geschwister und Großeltern, die eigentlich selber nicht so viel mit dem Sport zu tun haben, engagieren sich für uns. Weiterhin haben wir die Kooperation mit dem TUS Frisia Goldenstedt, die ebenfalls unterstützen. Was mir aber ganz wichtig ist, sind Judofreunde aus anderen Vereinen mit denen wir eng zusammenarbeiten. Die Judo-Bären aus Steinfeld sind seit Jahren sehr eng mit uns verbunden, da schon seit fast 10 Jahren unsere Trainer dort aktiv das Training mitgestalten, aber auch der SC Wildeshausen oder der SC Emstek helfen mit ihren Judoka wo sie können. Das ist Sport, wenn man zusammenhält! Des weiteren haben wir eine gewisse Professionalität hinzugewonnen, klar geht auch mal was daneben, aber grundsätzlich sind wir personell und materiell sehr gut aufgestellt. Wir sind im materiellen Bereich auch weitestgehend unabhängig, da wir über sehr viel Equipment verfügen. Wenn eine Halle frei ist, könnten wir innerhalb weniger Stunden das Material für 4-5 Wettkampfflächen, inkl. Technik aufbauen. Gerade im Bereich des Catering haben wir eine eingeschworene Gemeinschaft, die alles macht, damit jeder sich wohlfühlt, ob Judoka, Zuschauer, Sanitäter, Helfer oder Kampfrichter.

Als einer der wenigen niedersächsischen Vereine habt Ihr mit Eurem Team am Deutschen Jugendpokal der U18 teilgenommen. Was waren Eure Eindrücke des Events? Warum denkt Ihr, dass so wenig andere niedersächsische Vereine Interesse an Mannschaftsturnieren dieser Art zeigen?
Wir sind vielversprechend angetreten und mussten feststellen, dass wir als Breitensportverein nicht wirklich eine Chance hatten. Uns geht es bei der Teilnahme in erster Linie nicht um den Erfolg. Ja klar, jeder will erster sein, aber wir sind realistisch. Wir haben gute Judoka, aber wir geben jedem die Chance mitzuwirken. Denn wer kann von sich behaupten, bei einer Deutschen Meisterschaft gekämpft zu haben. Dabeisein ist alles und wenn was dabei rauskommt, ist es sogar noch schöner. Wir nutzen das Drumherum, was diese Jugendpokale ausmacht. Gegen die mehrheitlich starken Vereine aus Landes- oder Bundesstützpunkten haben wir eher wenig gegenzuhalten. Hier sind ganz klar die im Vorteil, die viele sehr gute Athleten (Landes- oder Bundeskader) aufweisen können. Wir sind eher Breitensport orientiert und freuen uns über den ein oder anderen Erfolg, der uns zu so einer Meisterschaft bringt.
Wir sind der Meinung, dass gerade die Mannschaftsturniere ein wichtiger Zusammenhalt der Gruppe darstellen. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Sportlerinnen, die nur wegen der Möglichkeit in einer Mannschaft zu kämpfen, zu uns gewechselt sind. Auch diese Sportlerinnen gehören einfach zu uns.

Danke für das Interview und den inspirierenden Einblick in Eure Vereinsarbeit!

Weitere Infos über die Judo-Tiger Visbek findet Ihr auf der Website des Vereins, bei Facebook und auf Instagram.

In einem Monat geht es dann schon weiter auf unserer Reise querbeet durchs Land. 
Wenn Ihr Empfehlungen für eine unserer nächsten Stationen habt, gebt uns Bescheid (Mail).