Deutsche Kata-Meisterschaften 2019 in Erlangen

NJV im Medaillenspiegel auf Rang 3 oder: Kann Kata Leistungssport sein?

Kurz vorweg die Medaillen:

1. Platz Nage no kata U18: Sonja Schacht und Bennett Brandes

3. Platz Kime no kata: Youssef Diouri und Dennis Burkhardt

3. Platz Nage no kata ID WK I: Sabine Ruppin und Kim-Laura Plogmann

Bevor wir hier von den weiteren Einzelergebnissen der NJV-Judoka bei den diesjährigen Deutschen Kata-Meisterschaften berichten, möchten wir mal die Frage zur Diskussion stellen: Kann die Beschäftigung mit Kata im Judo Leistungssport sein?
Meist unterscheidet man Leistungssportler von Breitensportlern dadurch, dass Leistungssportler für das Ziel    Disziplin zu erreichen, andere Freizeitaktivitäten hintenanstellen, einen erhöhten Zeitaufwand für Training und Wettkampfvorbereitung treiben, und sogar auch mal Familie und/oder Beruf unter dem Leistungswillen leiden, usw., usw.

Die meist geäußerte Meinung dazu lautet: „Für Kata macht das doch keiner, oder…?“

Ohne die Paare oder Sportler im Einzelnen zu nennen:

  • da gibt es ein Paar, dass seit 2003 (bis auf Babypausen) jedes Jahr in einer Kata in der Endrunde der DKM vertreten oder nahe dran war,
  • da gibt es Kata-Sportler, die dreimal pro Woche Krafttraining machen, um statische Teile stabiler stehen zu können,
  • andere nehmen vor Kata-Wettbewerben einige Kilos ab, um es dem Partner nicht zu schwer zu machen,
  • bei einem Paar wohnen Tori und Uke 140 km voneinander entfernt, trotzdem trainieren sie mindestens zweimal pro Monat ein Wochenende gemeinsam (Wohnmobil),
  • Eltern fahren Jugendpaare zum nächsten NJV-Kata-Stützpunkt,
  • Sportler kaufen sich eine Videokamera, machen Aufzeichnungen ihres Trainings, und die NJV-Kata-Enthusiasten werten diese Videos aus (Rekord: 27(!) Seiten Text mit Korrekturen, Hilfen und Trainingstipps für eine Kata).
  •  ein Paar versucht in diesem Jahr an 12 Kata-Wettbewerben teilzunehmen (da geht’s dann auch mal eben nach Schweden um 15 Judo-Techniken in 7 Minuten zu zeigen)
  • usw., usw.,…

Und es zeigt sich: wer Aufwand treibt, wird auch belohnt (wenn man sich beruflich, familiär und finanziell diesen Aufwand überhaupt leisten kann).

Doch jetzt die DKM im Detail:

Am Samstag (29.6.) hatten in der Nage no kata Alexander Pinnecke und Jan Hottenrott Startnummer 1 gezogen. Erstaunlicherweise war die noch bei den Landesmeisterschaften zu beobachtende Nervosität wie weggeblasen, und sie landeten bei ihrer ersten „Deutschen“ auf Platz 10 im Mittelfeld. Zum ersten Mal bei den Erwachsenen mussten Odine Vainauskas und Talea Post starten, zwei Fehler bei Seoi nage und Yoko guruma ließen sie auf Platz 16 abrutschen. Adrian Gehl und Björn Koch konnten ihr Vorjahresergebnis wiederholen: wieder Platz 7 und wieder knapp an der Finalrunde vorbei.

Zeitgleich auf der Nebenmatte gab es in der Nage no kata der U18 einen höchst spannenden Wettbewerb: alle drei Medaillengewinnerpaare des Vorjahres konnten noch einmal an den Start gehen und der Endstand der Vorrunde war von der Reihenfolge her identisch mit dem Endergebnis aus 2018, nur von den Punkten her deutlich knapper. Aber Sonja Schacht und Bennett Brandes konnten den Spieß im Finale umdrehen und zeigen, dass sie auch den Tsuri komi goshi können, der in der Vorrunde Punkte gekostet hatte. Mit 442,5 Punkten gegenüber 441 Punkten zogen sie am Nordrhein-Westfälischen Paar vorbei auf Platz 1. Knappes Gold für Sonja und Bennett. (Hätte übrigens auch bei den Erwachsenen für die Endrunde gereicht.)

In Koshiki no kata versuchen Dieter Langhorst und Herbert Müller (kurz nach seinem 61. Geburtstag) seit einigen Jahren in die deutsche Spitzengruppe vorzustoßen. Und wenn man sich die Punktzahlen anschaut, so ist auch ein langfristiger kontinuierlicher Aufwärtstrend zu beobachten; noch nie bekamen die beiden von den Wertungsrichtern so viele Punkte wie in diesem Jahr. Aber, …, auch die Konkurrenz trainiert, und so blieb die Reihenfolge der „üblichen Verdächtigen“ wie gehabt: wieder Platz 6 und ein paar Punkte für die Bundeskatarangliste.

Der Samstag sah auch den Wettbewerb der ID-Judokas im Rahmen der Inklusiven Deutschen Kata-Meisterschaften. In der Wettkampfklasse I gingen gleich zwei NJV-Paare an den Start und NJV-Vize und Behindertensportreferent Rolf-Dieter Frey fieberte vom Mattenrand aus mit. Während Christian Kohlhause und Jan Smeikal den 5. Platz erreichten, brachten die von Sabine Ruppin und Kim-Laura Plogmann gezeigten Ausschnitte aus der Nage no kata die zweite Medaille für den NJV an diesem Tag. Bronze war die Belohnung für die intensive Vorbereitung.

In der Kime no kata ging für den NJV mit Youssef Diouri und Dennis Burkhardt das Paar an den Start, das bei der NJV-Katalandesmeisterschaft den Newcomer-Pokal gewonnen hatte. Die mehrmonatige spezielle Vorbereitung mit i. d. R. drei mal zwei Stunden Kime no kata pro Woche, die zahlreichen Lehrgangsteilnamen sollten sich bezahlt machen, ein Platz im oberen Mittelfeld war anvisiert. Es kam aber besser. Mit Platz 4 in der Vorrunde wurde das Finale erreicht. Während Platz eins und zwei unangetastet blieben, überzeugten Youssef und Dennis mit starkem Kuzushi die Wertungsrichter davon, das auch Neulinge Edelmetall verdient haben. Die Bronzemedaille war die dritte für den NJV an diesem Tag. (Kommentar von Youssefs Sohn Elias nach Papas Heimkehr: „Und wieso nicht Erster?“)

Am zweiten Tag ging es zunächst mit der Ju no kata los. Hier waren für den NJV gleich drei Paare am Start.

Die Routiniers in dieser Kategorie, Jan Smeikal und Stefanie Smeikal, konnten auch 2019 wieder ins Finale vorstoßen. Hier ging es allerdings sehr eng zu. Auf Platz 6 trennten sie am Ende nur 2,4 Prozentpunkte von den Medaillenrängen. Marion Kubitzke und Joachim Hüser zeigten sich gegenüber dem Vorjahr wieder einmal stark verbessert. 2018 noch auf Platz 13 ging es diesmal um 27 Punkte nach oben auf Platz 7. Hauchdünn dahinter (mit 0,5 Punkten, dem kleinsten möglichen Abstand) landete auf Platz 8 das dritte NJV-Paar Heidi Grigat und Heidi Jeddeloh, ebenfalls um einige Plätze besser als im Vorjahr.

Die Kata Kodokan Goshinjutsu sah mit Roland Apel und Peter Ackermann ein neues NJV-Paar. Der 8. Platz bei der Premiere klingt schon mal ganz gut, hier ist in den nächsten Jahren bestimmt noch mehr drin.

In der letzten Wettbewerbskata, der Katame no kata, konnte der NJV alle vier Startplätze besetzen. Carolin Charina Jeromin und Rebecca Rehmann bzw. Björn Koch und Adrian Gehl gingen zum ersten Mal in dieser Kategorie an den Start. Bevor in den nächsten Jahren aus den Plätzen 16 bzw. 14 sich mehr entwickelt, muss erst einmal der Kampf gegen die eigene Nervosität gewonnen werden. Sebastian Esser und Dieter Langhorst konnten gegenüber 2018 wieder einige Pünktchen gutmachen, und von  Platz 13 auf Platz 8 vorrutschen, den Weg in die Endrunde der besten 6 Paare schafften aber nur Imke Schumann und Boris Neumann. Bei Außentemperaturen in Erlangen von 36°C an diesem Sonntag rutschen sie von Platz 4 der Vorrunde in einem extrem knappen Finale auf Platz 5.

Zwei Nachbemerkungen:

  1. Als Wertungsrichter (mit jeweils fast 6 Stunden Netto-Einsatzzeit) konnten und durften die Autoren dieser Zeilen sich nicht viel um die NJV-Athleten kümmern. Wir konnten aber beobachten, wie unsere Sportler sich gegenseitig Mut zusprachen, sich beim Aufwärmen halfen, für die Aktiven Videos aufzeichneten, vor und nach dem Start Erfahrungen und Tipps austauschten, und gemeinsam mit den mitgereisten Eltern und Fans vor der Ergebnisverkündung bangten und dann jubelten. Das war Kata im Team wie wir es uns für Niedersachsen wünschen
  2. Es tut sich was im Kata-Bereich. Während vor etwa 10 Jahren drei oder vier Landesverbände des DJB die Medaillen bei Deutschen Kata-Meisterschaften unter sich aufteilten, kamen heuer Sportler aus 9 Landesverbänden aufs Treppchen. Wer da noch oben mitmischen will, muss Kata als Leistungssport betreiben. Viermal pro Woche 2 Stunden Nage no kata als Uke über mehrere Monate hinweg ist kein Breitensport mehr. Einige Landesverbände haben inzwischen einzelne Personen zu Kata-Landestrainern gemacht und mit einem Etat ausgestattet. Wenn wir in Zukunft nicht abgehängt werden wollen, müssen wir uns etwas einfallen lassen.