Deutsche Kata-Meisterschaft 2018 Hannover-Misburg – Kodokan goshin jutsu

Wer sich schon einmal mit der „modernen Selbstverteidigungs-Kata“ des Kodokan beschäftigt hat, wobei „modern“ mit 1956 als Ursprungsjahr etwas geschönt klingt, und für die „Hardliner“ nur das eine Kodokan-Kata ist, die noch von Kano Shihan persönlich kreiert wurde, der weiß, dass sie dem Tori ein gänzlich anderes Bewegungsverständnis abverlangt als er es bisher gewohnt ist. Und dann erst mal das Programm für den Uke: der erfährt Handhebel, wird im Hebel geworfen, fällt auf direktem Weg auf die Matte, wird umgerissen, entwaffnet und verhauen. Dafür muss man als lernbegieriger Tori erst mal einen anderen Judoka motivieren können.

Dieses Kunststück hat zu Übungszwecken vor vier Jahren ein frisch gebackenes 1. Dan-Frauengespann geschafft. Während sich die Niedersachsen von dieser Kata strikt fern gehalten haben, haben diese beiden Damen von der Insel Borkum die Chuzpe entwickelt, sich den Anforderungen zu stellen, und einfach mal zu lernen, was man aus dieser Kata lernen kann. Nicht nur diejenigen gewinnen etwas, die hinterher auf dem Treppchen stehen. Auch diejenigen, die mit weniger Erfahrung und auch deutlich weniger Trainingsaufwand als die Experten, gewinnen Kenntnisse hinzu, die ihnen auf anderem Weg verborgen geblieben wären. Man kämpft ja als Kata-Wettkampf-Athlet nicht mit dem „Gegner“, denn der ist hier der Partner. Man kämpft mit einer klebrigen Matte, schwitzenden Füßen, widerspenstigen Waffen, einem kreativen Judogi mit Fluchtideen, dem eigenen Lampenfieber, der Reihenfolge der Techniken, und ganz zum Schluss auch noch mit dem Publikum und den Wertungsrichtern, die da am Rand sind. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Erlernen der Techniken hier die einzige Maßnahme ist, der man mit Training beikommen kann. Alles andere nimmt Einfluss und lässt sich irgendwie nicht bändigen.

Wenn dann auch noch berufliche Einschränkungen und private Kontinentalverschiebungen dazu kommen, fehlen einfach die Energie zum Trainieren und die Zeit, das in Ruhe zu machen.

Ja, Stephanie Krupp und Dominique Plewe sind in einem Feld von zehn Pahren zehnte geworden. Das geschah völlig zu Recht. Aber damit sind sie die besten Niedersachsen in dieser Kata. Alle, die sich gern hypothetisch in die Rolle bringen, dass sie das hätten besser machen können, waren nicht da. Ich bewundere diese beiden Mittvierzigerinnen, die gerade erst die Hürde zum 1. Dan genommen haben, und dann mit dieser äußerst technischen Kata ihr Heimtraining, ihre Freizeit und auch ihre körperlichen Möglichkeiten über Gebühr beansprucht haben. Hier standen zwei in Vollzeit berufstätige Mütter mit zwei und drei Kindern auf der Matte, die sich auf einer Insel, fernab von Trainern und Hilfen, so ein Arbeitspaket aufgeladen haben.

Von meiner Seite haben beide den allergrößten Respekt verdient, und ich hoffe, dass sie nach Glättung der privaten Wogen einen Weg finden, die Lernmethode Kata wieder in ihr Leben und ihr Training einzubeziehen.

Herzlichen Dank für euren Einsatz!

Text und Fotos: Jutta Milzer