Deutsche Kata-Meisterschaft 2018 Hannover-Misburg – Koshiki no kata

Warum bitte lernt man Koshiki no kata?

Es gibt wohl keine Kata, die dem übenden Judoka so viel Einfühlungsvermögen und abweichend vom bequemen Normalen so viel Energie abverlangt wie diese Kata, die sich dem unwissenden Zuschauer zunächst anbietet als eine „bei der du komisch gehst“.

Diese aus der Kenntnis vieler Ju jutsu-Schulen-Kata extrahierte Zusammenstellung von zunächst sieben Paaren ähnlicher Angriffe mit sehr ruhigem Tenor, die unterschiedlich pariert werden, dann plötzlich den Eindruck vermittelt, die beiden Kontrahenten hätten sich ihrer Rüstung entledigt und jetzt geht es nach Ringermanier Schlag auf Schlag zur Sache.

Auch diese Kata gehört zu denen, die man ruhig länger als 20 Jahre lernen darf, ohne jemals an einen Punkt zu kommen, an dem man glaubt, es verstanden zu haben.

Diese Kata gönnt sich der „normale“ Judoka gar nicht. „Diese Kata wollen nur alte Männer auf der Prüfung zum 5. Dan zeigen.“ Weit gefehlt! Dieses leider weit verbreitete Missverständnis führt dazu, dass das Wissen, das in dieser Kata steckt, leider dem Judoka erst im fortgeschrittenen Alter, wenn leider auch die Knie, Schultern und der Rücken nicht mehr wunschgemäß mitmachen, zur Verfügung steht. Diese Kata ist eine traumhafte Spielwiese für Kinder und jugendliche Judoka. Denen müssen wir die Geheimnisse dieser Interaktionen beibringen, sie müssen lernen, damit zu spielen und zu arbeiten.

In Niedersachsen fand leider ein interessierter Judoka mit leichter Übergröße keinen passenden Partner für das Erlernen dieser Kata. Aber in Lippstadt (NW) saß ebenfalls einer mit Übergröße, dem sein Tori abhanden gekommen war. Per Zufall trafen sie sich in Tübingen, probierten aus und starten seitdem als niedersächsisches Paar in der Koshiki no kata.

Dass zwei Mensch-gewordene Tsunami sich nicht elfengleich auf der Matte von Yoko wakare zu Yoko wakare schmeißen können, erklärt sich von selbst. Aber dass man an dieser Kata wachsen kann, sein Judo verbessern, tüfteln lernt und ein ganz anderes Verständnis für die Rolle von Uke und Tori erfühlt, das können diese beiden problemlos darlegen. Was der „moderate Widerstand“ auslöst, möglich macht, und was unmöglich ist, wenn er fehlt, das wird in dieser Kata um ein Vielfaches deutlicher als in den voraus gegangenen.

Damit also auch in Niedersachsen das Wissen um diese wunderschöne Kata sich fortpflanzt, darum kümmern sich Dieter Langhorst (TuS Bothfeld 04) und Herbert Müller (JSV Lippstadt). Im Feld der, immerhin sechs, startenden Paare haben sie mit 409,5 Punkten gegenüber 516,5 Punkten von Dax/Loosen die rote Laterne gehalten, aber damit sind sie dennoch in Deutschland das sechstbeste Koshiki no kata-Paar. Wer erlebt hat, mit welcher Akribie sie an Techniken feilen, Lehrgänge besuchen, Statik und biophysikalische Zusammenhänge auf der Matte erörtern, der weiß, dass hier mehr für den Judosport getan wird, als sich auf den Lorbeeren alter Tage auszuruhen und im Training mit klugen Sprüchen zu brillieren.

Schon diese Auseinandersetzung mit der Erdanziehungskraft, mit den sonderbaren Fallübungen, mit der Suche nach dem genauen Punkt, an dem es zum Fall kommt, fordert beide in hohem Maße und verändert ihr Judo aufs Feinste zum Besseren.

Ich bin mit den beiden Tsunamis jedenfalls sehr glücklich und würde mich freuen, wenn in dieser Kata weitere Interessenten in gleicher Form von ihnen lernen möchten.

Einen Anfängerlehrgang für alle Interessierten, gleich welcher Graduierung, wird wieder im Jahr 2019 angeboten. Wer den Lehrgang gern in seinem Verein haben möchte, meldet sich bitte per Mail.

 

Foto: Jutta Milzer / Reiner Schatz
Text: Jutta Milzer