NJV-Roadtrip - Zweiter Halt TuS Ebstorf

Monatlich begeben wir uns auf eine kleine Erkundungstour durch die niedersächsische (Judo-)Vereinslandschaft. Ob große oder kleine Clubs, leistungs- oder breitensportorientierte Schwerpunkte, Judo für jung oder alt - viele Vereine bieten außergewöhnliche Angebote für ihre Mitglieder, die wir Euch immer am Ende des Monats vorstellen werden.

Die U10 und U12 beim Training. Foto: Tilmann Becker

Jannik Brandt und Jonas Fesel. Foto: Tilmann Becker

Nach dem ersten Halt in Hollage geht es weiter in nord-östliche Richtung. Inmitten der Lüneburger Heide liegt die Gemeinde Ebstorf. Der zugehörige Verein TuS Ebstorf zählt knapp 1200 Mitglieder – darunter auch 50 Judoka im Alter von vier bis 45 Jahren. Seit 2010 leitet Jan Brandt die Judosparte. Nicole Brandt kümmert sich im Hintergrund um allerhand organisatorische Dinge und die Öffentlichkeitsarbeit – ein echtes Familienunternehmen also.
Der Schwerpunkt liegt im TuS Ebstorf auf dem Breitensport – Turniere werden aber trotzdem angefahren. In einem familiären, vertrauensvollen Verhältnis steht die motorische Förderung der Kinder mit viel Spaß und Freude im Vordergrund. Ob schüchtern oder extrovertiert, mit oder ohne Beeinträchtigung: In Ebstorf steht das Miteinander an erster Stelle. Jeder wird in das Training integriert um sich in der Gruppe wie zu Hause fühlen.

Was der Verein noch für Besonderheiten zu bieten hat, fragten wir Nicole Brandt im Interview:

Euer Verein, der TuS Ebstorf, ist unter anderem für sein Engagement im Bereich des ID-Judo bekannt und steht beispielhaft für die gelungene Inklusion von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung im Judotraining. Wie gestaltet sich dieses Angebot konkret im Trainingsbetrieb und darüber hinaus?

Wir haben 2011 eine integrative Gruppe gegründet, in der wir Kinder aus den umliegenden Einrichtungen zusammen mit unseren anderen Kindern zusammen gebracht haben. Wir haben viel mit unseren „gesunden“ Kindern gesprochen und ihnen die Beeinträchtigungen der anderen Kinder erklärt. Am Anfang war es sicherlich nicht immer einfach und es sind auch mal Kinder weggeblieben. Uns war es aber wichtig, dass alle lernen, das Beeinträchtigungen nichts ansteckendes sind und dass sie nach ihren Möglichkeiten genauso Sport machen können, wie jeder andere Mensch auch.

Was empfiehlt Ihr Trainern und Vereinen, die noch nie mit Menschen mit Beinträchtigung trainiert haben, sich aber dafür interessieren, für den Einstieg? Habt Ihr Erfahrung mit bestimmten Fortbildungen oder Angeboten, die Judoka für den ID-Judo-Bereich wahrnehmen können?

Wir empfehlen den Trainern, sich das Training einmal bei Vereinen, die mit Menschen mit Beeinträchtigung trainieren, anzuschauen. Zu empfehlen sind die Gruppe von Martin von den Benken in Braunschweig und die in Lüneburg von Rolf Dieter Frey. Die zwei leiten reine ID-Judo-Gruppen. Es gibt auch eine Liste mit weiteren Vereinen, die Judo für Menschen mit Behinderung anbieten. Weiterhin ist unsere Empfehlung, mit dem Verein zu sprechen und zu überlegen, ob man eine eigene ID-Gruppe gründen möchte oder eine integrative Gruppe. Wenn man eine Gruppe gründen möchte sollte man aber auch Gespräche mit den Einrichtungen vor Ort führen, denn die Menschen kommen nicht von alleine. Oft tritt die Schwierigkeit des Bringens und des Abholens auf, das sollte man mitbedenken.
Interessierte Trainer sollten sich außerdem die „2 tollen Tage“ vom NJV anschauen oder mitmachen. Oder im Herbst beim inklusiven Herbstlehrgang in Rotenburg vorbeischauen. Auch findet jetzt im März eine Fortbildung von und mit Martin von den Benken in Rotenburg statt. Auch im Bereich Kata oder Wettkampf finden immer Lehrgänge statt, die man sich einfach mal anschauen sollte. Ebenso bietet der Behindertensportverband sehr viele Lehrgänge an.

Ihr richtet seit einigen Jahren das integrative Ebstorfer Bodenturnier aus. Was ist das Besondere an diesem Wettkampfformat? Und wer kann teilnehmen?

Bei dem Bodenturnier kann jedes Kind und jeder Erwachsener mitmachen. Egal ob beeinträchtigt oder nicht. Das Mindestalter beträgt vier Jahre. Bei dem Turnier werden nur Haltegriffe und Dauer bewertet. Hebel und Würger sind verboten, da Menschen mit Behinderung diese nicht ausführen dürfen.
Kinder, die bereits drei Monate Judo machen, können erste Wettkampfluft schnuppern. Bei dem Turnier steht das Familiäre im Vordergrund. Wir möchten den Beeinträchtigten mit unserem Turnier noch eine weitere Möglichkeit im Jahr bieten, um zu kämpfen.
Aber auch die Kampfrichter und Kampfrichteranwärter, die mal Turniere mit Menschen mit Behinderung schiedsen möchten, können hier ihre Erfahrung sammeln.

Auch im Bereich Gewaltprävention und Selbstverteidigung habt Ihr Know-How in euren Trainerreihen zu bieten. Wie integriert Ihr diese Angebote in euren Trainingsbetrieb?

Bei der Selbstverteidigung und Gewaltprävention bieten wir unseren Mitgliedern Workshops in den Ferien oder auch mal im Training an, wenn keine Turniere oder Prüfungen anstehen.
Jan Brandt ist im Bereich realistische Selbstverteidigung und als Gewaltpräventionstrainer sehr gut ausgebildet. Deshalb haben wir 2019 immer wieder Workshops für Frauen und Mädchen angeboten, vor allem im Bereich Mobbing.

Bietet Ihr Euren Kids auch neben dem alltäglichen Trainingsbetrieb Aktionen, um Ihnen den Judosport näher zu bringen?

Wir nehmen seit Jahren an Veranstaltungen im Ort teil, um den Menschen in unserer Region zu zeigen, was Judo ist. Bei unserem eigenen Spielenachmittag führen die Kinder eigenständig ihre Sportart vor und animieren andere Kinder, diese auszuprobieren.
Seit 2012 sind wir mit ihnen regelmäßig nach Holle zur Judo-Bundesliga gefahren, um an dem Startraining, welches von den Bundesligakämpfern vor der Begegnung geleitet wurde, teilzunehmen. Das hat den Kinder immer mega Spaß gemacht hat. Was die Kinder, Eltern und Trainer in Holle sehr schätzten war das Familiäre - vom Vorstand bis zu den Kämpfern. Die Kinder waren sehr traurig, als sie erfuhren, dass Holle nicht mehr am Bundesligageschehen teilnimmt.
Seit Jahren haben bieten wir zudem eine Hallenübernachtung an, wo wir mit den Kindern trainieren, die Judosafari durchführen und vieles mehr. Auch Zelten in den Sommerferien gehört zu unserem Programm. Seit 2011 fahren wir mit den Kindern zum inklusiven Herbstlehrgang nach Rotenburg und zu den „2 tollen Tagen“. Wir haben auch schon Eltern-Kind Training gemacht, was auch sehr gut ankam. An den Wochenenden fahren wir immer mal wieder mit der U15 und U18 zu den NJV-Kadermaßnahmen, sowie auch zu den Stützpunkt-Trainings nach Oldenstadt. Auch an weiteren Maßnahmen, wie der Trainerassistenz-Ausbildung oder zu Kampfrichterlehrgängen nehmen wir mit unseren Kindern teil.

Danke für das Interview und den inspirierenden Einblick in Eure Vereinsarbeit!

Weitere Infos über die Judosparte des TuS Ebstorf findet Ihr auf der Website des Vereins.

Ende nächsten Monats geht es dann schon weiter auf unserer Reise querbeet durchs Land.
Wenn Ihr Empfehlungen für eine unserer nächsten Stationen habt, gebt uns Bescheid (Mail).