NJV-Roadtrip - Sechster Halt: VfL Stade

Monatlich begeben wir uns auf eine kleine Erkundungstour durch die niedersächsische (Judo-)Vereinslandschaft. Ob große oder kleine Clubs, leistungs- oder breitensportorientierte Schwerpunkte, Judo für jung oder alt - viele Vereine bieten außergewöhnliche Angebote für ihre Mitglieder, die wir Euch einmal im Monat vorstellen.

Die Damenmannschaft des VfL Stade - ein Aushängeschild des Vereins.

Hoher Besuch beim Jubiläum der Judoabteilung: Nationalmannschaftskämpferin Luise Malzahn und DJB-Maskottchen Yoko.

Unser sechster Halt auf unserer Tour durch den NJV bringt uns in den hohen Norden des Landes. Etwa 45 Kilometer westlich von Hamburg liegt die kleine Hansestadt Stade, deren Verein, der VfL Stade auf eine lange Judohistorie zurückblicken kann. Beachtenswert ist, dass sich die Judoabteilung durch die erfolgreiche Arbeit nicht wie so oft hinter dominanten Ballsportarten verstecken muss. Denn durch das Engagement der Judoka genießt die Sparte ein hohes Ansehen im Gesamtverein und darüber hinaus. Dies ist vor allem dem großen eingespielten Team und allen Ehrenamtlichen zu verdanken, ohne die die Arbeit in diesem Maße nicht funktionieren könnte. Neben dem Trainerteam sind es vor allem die Eltern, die die Stader in Angelegenheiten neben der Matte unterstützen. Getreu dem Motto „jedes Zahnrad ist wichtig, um das ganze Getriebe am Laufen zu halten“, stemmt der Verein mit großartigem Zusammenhalt und familiärer Stimmung alle Herausforderungen. Der judospezifische Schwerpunkt liegt dabei auf dem Heranführen an den Wettkampfsport und an der Förderung der individuellen Bedürfnisse aller Athletinnen und Athleten: „Kämpfen und Erfolge sind ein wesentlicher Teil des Lernprozesses und gehören zum Judo dazu. Dieser Erfolg kann bei jedem anders aussehen; bei dem einen ist es der Gewinn der Norddeutschen Meisterschaft, bei dem anderen die Durchführung einer fehlerfreien Judorolle.“

Wie die Stader Judoka dieses Grundkonzept und das erfolgreiche Vereinsleben seit nunmehr 52 Jahren gestalten, fragten wir sie im Interview:

Im Jahr 2018 habt Ihr das 50-jährige Bestehen Eurer Judoabteilung im Rahmen eines spannenden Judo-Wochenendes mit tollen Gästen gefeiert. Die Nationalmannschaftskämpferinnen Luise Mahlzahn sowie Amelie und Theresa Stoll waren bei Euch als Trainerinnen zu Gast. Und sogar Yoko, das DJB-Maskottchen hat sich bei Euch im Norden blicken lassen. Wie kam es zu diesem großen Fest? Und wie kam die Aktion bei den Teilnehmenden an?
Ein 50-jähriges Jubiläum ist natürlich etwas Besonderes und so ergab sich schon fast zwei Jahre im Voraus die Idee, das Jubiläum an zwei Wochenenden zu feiern. Das erste Wochenende sollte für die Aktiven fast aller Altersklassen gestaltet werden. Die Kinder freuten sich über Yoko und das Training mit den drei Nationalkämpferinnen.  Alle drei zeigten uns die Tipps und Tricks ihrer Spezialtechniken. Zum Auftakt am Samstag rissen uns die Geschwister Stoll in ihren Bann. Am Sonntag stieß Luise Malzahn als frisch gebackene Deutsche Mannschaftsmeisterin direkt nach ihrem gewonnenen Finalkampf dazu. Alle drei Nationalkämpferinnen begeisterten die Judoka nicht nur mit ausgezeichnetem Training, sondern auch mit ihrer Ausstrahlung - Meisterinnen ihres Fachs zum Anfassen. Am zweiten Wochenende präsentierten wir eine Judoshow, in der alle aktiven Judokas von den Jüngsten, unseren Judoschlümpfen, bis zu den Erwachsenen einen Trainingseinblick gaben. Sehr zu unserer Freude erschienen viele Familienmitglieder und insbesondere ehemalige Aktive zu unserem Jubiläum. Zum Abschluss traf sich die Stader Judofamilie mit Ehrengästen, befreundeten Vereinen/ Sportlern, Funktionären zu einer großen Feier.

Ihr habt 200 Mitglieder in Eurer Sparte, das können nicht viele Judo-Vereine von sich behaupten. Wie schafft Ihr es, trotz der Tendenzen hin zum Mitgliederschwund so viele Sportler beim Judo zu halten?
Wir leben unseren Sport als Familie und versuchen auf die individuellen Bedürfnisse jeden Sportlers einzugehen. Wir kümmern uns um jeden, vom Breitensport bis hin zum Spitzensport. Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche langfristig an den Verein zu binden. Hierfür bilden wir interessierte Jugendliche zu Übungsleitern und Kampfrichtern aus. Unsere erfahrenen Trainer leiten nicht nur das aktive Training, sondern stehen unseren Mitgliedern auch immer neben der Matte zur Seite.
Nach einer kleinen Tournee durch sieben Stader Grundschulen konnten wir etliche Schulkinder für unseren Judosport begeistern.
Zudem erfährt das monatliche JASP Training der Landestrainer an unserem Außenstützpunkt großen Zuspruch. Im Rahmen dieses Trainings erhalten unsere Judokas Gelegenheit, mit Judokas anderer Vereine zu trainieren und sich weiter zu entwickeln. Dadurch werden sie an das Landestraining in Hannover herangeführt.

Bekannt ist der VfL Stade vor allem aufgrund seiner erfolgreichen Frauen- und Herrenmannschaft. Gerade die Frauen kämpfen seit über 10 Jahren kontinuierlich und erfolgreich in Deutschlands zweithöchster Liga mit. Was ist das Besondere am Liga-Kampfbetrieb für Euch als Verein und für die Kämpfer und Kämpferinnen?
Unser Bundesliga-Damenteam ist das Aushängeschild unseres Vereins. Die Heimkampftage sind ein absolutes Event für die ganze Judofamilie. Schon am Vormittag beginnen die Kinder mit einem Vorprogramm, zumeist der Judosafari. Nach einem gemeinsamen Einlaufen werden die Damen frenetisch angefeuert. Viele aktive Kämpferinnen waren früher schon selbst als Einlaufkinder dabei.
Eine Herrenmannschaft gibt es durchgängig seit 1981, zeitweise stellten wir sogar zwei Mannschaften. Sie ist sicher eine Besonderheit unserer Abteilung. Es gibt nur wenige Vereine, die seit über 30 Jahren eine Männermannschaft stellen. Vom Gewinn des Meistertitels, über Vizetitel bis zum Fast-Abstieg aus der Liga haben wir alle Höhen und Tiefen erlebt. Nicht selten wurden Favoriten und spätere Titelgewinner geschlagen. Als Krönung gelang unserer Herrenmannschaft 2015 der Niedersachsen-Meistertitel und der Aufstieg in die Regionalliga. Hier hatten wir 2017 die Chance in die 2. Bundesliga aufzusteigen.
Aus Personalgründen konnten wir diese Chance nicht ergreifen und somit war 2018 das einzige Jahr, in der wir keine Männermannschaft stellten. 2019 griffen wir mit einem jungen und neuaufgestelltem Team wieder an und beendeten die Saison auf einem soliden 4. Platz.

Und wie schafft Ihr es, jedes Mal eine volle Mannschaft auf die Matte zu stellen? Viele andere Frauenteams scheitern daran, dass sie nicht genügend Kämpferinnen zusammenkriegen?
Unser Frauenteam lebt vom Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Idee, eine Stader Mannschaft aufzubauen, entstand vor ca. 25 Jahren. Viele Stader Damen, die zuvor für andere Mannschaften starteten, schlossen sich zu einem Regionalligateam zusammen. Dank der familiären Atmosphäre halten unsere Damen dem Verein über lange Zeit die Treue, selbst wenn sie aus beruflichen Gründen ihre Heimat Stade verlassen müssen. Seit dem Bundesligaaufstieg werden wir auch von auswärtigen Kämpferinnen verstärkt. Bei der Auswahl spielen neben den sportlichen Aspekten auch die Persönlichkeit der Damen eine entscheidende Rolle. Neue Kämpferinnen werden schnell integriert und wissen die familiäre Stimmung bei uns zu schätzen.

Ihr bietet regelmäßig Anfängerkurse für Kinder ab drei Jahren an – Eure sogenannten Judo-Schlümpfe. Wie ist das Konzept dahinter?
Gemäß dem Motto, der frühe Vogel fängt den Wurm, wollen wir die Kinder so früh wie möglich an den Judosport heranführen, bevor sie auf den Geschmack anderer Sportarten gekommen sind. 2016 starteten die Judoschlümpfe erstmals. Wir möchten die Kinder spielerisch an den Judosport heranführen und sie an das Mattengefühl gewöhnen. Nach dem traditionellen Angrüßen beinhaltet das Training kleine Kampf- und Rangelspiele, die durch Judoinhalte ergänzt werden. Die Eltern werden eng in den Trainingsablauf eingebunden. Zeitweise nutzen 35 Kinder mit Elternteilen das Schlümpfetraining. Mit fünf Jahren wechseln die Schlümpfe dann zu den Minis. Die Ältesten trainieren mittlerweile in der U 12 und sammelten schon erste Wettkampferfahrung.

Was macht Ihr mit und für Eure Mitglieder neben der Matte? Gibt es Aktionen oder Freizeiten, auch unabhängig vom reinen Judotraining?
Für unsere Kinder bieten wir einmal jährlich eine mehrtägige Freizeitfahrt an. Zuletzt besuchten wir Berensch an der Nordsee, Ratzeburg und das Schullandheim im Estetal. Neben den Freizeitaktivitäten nutzen wir die Fahrten stets auch für kleine Judoeinheiten. Zudem besuchen wir einmal im Jahr unseren befreundeten Verein Akademia Posen in Polen, wo wir am stark besetzten Judoturnier teilnehmen. Wechseljährlich pflegen wir Austauschbesuche mit dem Kodokan Berlin. Ein ausschließliches „Neben der Matte“ gibt es bei uns nicht.

Wie geht Ihr mit den Auswirkungen der Corona-Krise um?
Wir alle waren glücklich, dass wir nach der langen Pause wieder mit kontaktlosem Fitnesstraining in den Trainingsbetrieb einsteigen konnten. Für den judospezifischen Teil binden wir Gürtel und Judojacke zusammen, um sie für Uchi-komis zu nutzen. Ab der Altersklasse U 12 findet aktives Training in der Halle und auch im Außenbereich statt. Die jüngeren Judokas bekommen Wochenhausaufgaben in Form von Situps, Seilspringen und Fallübungen. Ihre Ergebnisse senden sie per Video an die Übungsleiter. Die Resonanz ist großartig.

Danke für das Interview und den inspirierenden Einblick in Eure Vereinsarbeit!

Weitere Infos über denn VfL Stade findet Ihr auf der Website des Vereins

In einem Monat geht es dann schon weiter auf unserer Reise querbeet durchs Land. 
Wenn Ihr Empfehlungen für eine unserer nächsten Stationen habt, gebt uns Bescheid (Mail).