NJV-Roadtrip - Neunter Halt: TuS Borkum

Monatlich begeben wir uns auf eine kleine Erkundungstour durch die niedersächsische (Judo-)Vereinslandschaft. Ob große oder kleine Clubs, leistungs- oder breitensportorientierte Schwerpunkte, Judo für jung oder alt - viele Vereine bieten außergewöhnliche Angebote für ihre Mitglieder, die wir Euch einmal im Monat vorstellen.

Zum Ende des Sommers begeben wir uns auf unserem Roadtrip in den hohen Norden. Zu Gast sind wir in diesem Monat auf der Nordseeinsel Borkum. Als größte der ostfriesischen Inseln ist sie den meisten als beliebter Urlaubsort bekannt. Über 300.000 Touristen kommen jährlich auf die im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer gelegene Insel, um sich in der Natur, an breiten Stränden und an der einzigartigen Luft vom Alltag zu erholen. Neben den unzähligen touristischen Attraktionen – vom Heimatmuseum über Kutschfahrten bis hin zu Wattwanderungen und einer Vielfalt an Outdoorsport – kommen aber auch die Insulaner auf Borkum auf ihre Kosten. Grund dafür ist der Einsatz von vielen Ehrenamtlichen, die im TuS Borkum und anderen Vereinen sportliche Angebote für die 5266 Einheimischen schaffen. Zu den acht Sparten des inseleigenen Vereins gehört seit 1981 auch die Sportart Judo, die seit einiger Zeit von Stephanie Krupp in Zusammenarbeit mit Dominique Plewe und Nachwuchstrainerin Sientje Schulz geleitet wird. Nicht nur die aktiven Borkumer Judoka profitieren vom Trainingsangebot auf der Insel. Mittlerweile nutzen auch zahlreiche andere Judogruppen (u.a. MTV Vorsfelde, MTV Elze, Budo Club Arolsen, TuS Bothfeld, das Champ Camp mit Andrea Goslar und 2017 sogar die DJB-Juniorakademie) das Angebot, in den Gästehäusern des TuS Borkum beherbergt und verpflegt zu werden.

Welchen Herausforderungen die Judosparte des TuS Borkum als einziger „Inselverein“ des NJV begegnet und wie die Borkumer Judoka trotzdem das Beste daraus machen, erzählten sie uns im Interview:

Da wo andere Urlaub machen, seid ihr zu Hause. Auf einer Insel zu wohnen, ist für die meisten von uns schwer vorstellbar. Deshalb klärt uns doch mal kurz auf: Wie steht es bei euch um den Nachwuchs und wie viele Mitglieder habt Ihr im Moment in eurer Sparte?
Bei unseren Kindern und Jugendlichen tummeln sich inzwischen etwa 30 Judoka auf der Matte, um den Nachwuchs machen wir uns also keine Sorgen. Das Problem besteht eher darin, die Jugendlichen später zu halten und erwachsene (Wieder-)Einsteiger zu finden.
Die Erwachsenengruppe besteht derzeit lediglich aus drei aktiven Judoka, Anfänger in diesem Bereich gibt es nur selten und der Versuch, neue Zielgruppen zu erschließen, führte leider nicht zu einem langfristigen Wachstum der Sparte. Das Angebot „Judofitness für Frauen“ (Body Weight und Gerätetraining) unter der Leitung von Dominique Plewe sorgt einmal in der Woche für Muskelkater bei acht Teilnehmerinnen und versucht eine Brücke zu schaffen zwischen „normalem“ Sport und Judo.

Worin bestehen die Herausforderungen, Vereinssport auf einer Insel anzubieten? Neben dem TuS Borkum gibt es auf der Insel unter anderem noch den Budokan Borkum (Karate), die DLRG und den Wassersportverein, die sportliche Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen. Die „Konkurrenz“ ist also nicht so groß wie auf dem Festland, wovon unsere Sparte sicherlich profitiert. Auf der anderen Seite verlassen viele Jugendliche nach der 10. Klasse die Insel, um auf dem Festland das Abitur zu machen oder eine Ausbildung zu beginnen, aber auch diejenigen, die auf Borkum bleiben, verlieren spätestens mit dem Berufseinstieg den Kontakt zum Verein und leider auch zur Judomatte. Für die Erwachsenen ist es im Saisonbetrieb schwierig, an feste Trainingszeiten gebunden zu sein, sodass auch hier ein Grund für fehlende Motivation für so einen komplexen Sport wie Judo liegen kann.
Die äußeren Bedingungen auf der Insel für unsere Judoabteilung sind hervorragend. Das Judotraining findet in der vereinseigenen Turnhalle statt und wir haben eine 140 Quadratmeter große Mattenfläche zur Verfügung. In Absprache mit der Geschäftsführung werden uns bei Bedarf auch zusätzliche Trainingszeiten eingeräumt. Auch bei der Beschaffung von Matten oder Trainingsgerät finden wir immer ein offenes Ohr. Die kurzen Wege und direkte Kommunikation zu vielen Schnittstellen auf der Insel schaffen Möglichkeiten im Bereich Sponsoring oder anderer finanzieller/materieller Unterstützung.
Anders sieht es mit allem aus, was außerhalb der Insel stattfindet ... Lehrgänge, Gürtelprüfungen, Wettkämpfe, Sitzungen... Jeder Termin ist immer zeit- und kostenaufwendig, da nicht nur die Fähre sowie die Weiterfahrt (Bus, Bahn, Mietwagen), sondern immer auch mindestens eine Übernachtung eingeplant werden muss. Dies belastet die Vereinskasse, aber auch das eigene Portmonee. So manches Mal ist man auch abhängig vom Verständnis des Arbeitgebers oder der Schule, wenn die Fähre nicht mehr erreicht werden kann oder die Ferien anders liegen als im übrigen Niedersachsen.
Auf der anderen Seite tragen gerade diese „Exkursionen“ dazu bei, die Motivation für das eigene Training durch neuen Input, nette Kontakte und auch Erfolge aufrecht zu erhalten. Ein fester Bestandteil ist inzwischen die Teilnahme an der fünftägigen NJV-Sommerschule. Hier sind schon Freundschaften zu anderen Vereinen und Projekte entstanden, die auch unser Training zu Hause nachhaltig positiv beeinflussen und uns nicht ständig „im eigenen Saft schmoren“ lassen.

Worin liegt der Schwerpunkt bei Euch im Training?
Bei unseren Kleinen steht vor allem Spaß und Bewegung sowie das spielerische Erlernen von Judotechniken an erster Stelle. Dabei orientiert sich das Trainerteam maßgeblich an dem Konzept „Judo spielend lernen“ des DJB.
In der Trainingsgruppe der Jugendlichen wird mehr Wert auf den Technik-Erwerb gelegt, wobei auch hier Randori und Fitness nicht zu kurz kommen. Einen wesentlichen Schwerpunkt der Arbeit mit unseren Kindern und Jugendlichen sehen wir in der Vermittlung der Judowerte. Somit ist es uns ein Herzensanliegen, im Sinne Jigoro Kanos nicht nur die sportliche, sondern auch die moralische Erziehung zu unterstützen.          
Immer mehr unserer Kinder und Jugendliche nehmen inzwischen auch die Angebote des NJV – wie das Judo-Zeltlager in Fürstenau oder die Trainer-Assistenzausbildung – wahr, lernen so andere Trainingsmethoden kennen und knüpfen – ganz im Sinne der Judowerte – Freundschaften zu Judoka aus anderen Vereinen.
Die Teilnahme an Wettkämpfen für unsere Kinder und Jugendliche ist durch die Insellage sehr aufwendig, weshalb wir hierauf auch keinen Schwerpunkt legen. Natürlich sind verschiedene Wettkampfformen und Randori  ein wichtiger Bestandteil der Trainingseinheiten und seit 2017 findet im Rahmen des „Tag des Sports“ auch eine kleine Vereinsmeisterschaft für unsere Kinder und Jugendlichen statt.
Außerdem wird der Verein bei Ü30 Turnieren durch Dominique Plewe vertreten, die dabei große Unterstützung von Klara Beerenwinkel (JC Bocholt) erhält, für deren Verein die Borkumerin mittlerweile eine Zweitstartberechtigung besitzt, aufgrund der derzeitigen Corona-Einschränkungen aber noch nicht eingesetzt werden konnte.
Besonders freuen wir uns, wenn wir – wie in diesem Fall - externe erfahrene Wettkampftrainer (auch Gäste) gewinnen können, die uns in diesem Bereich weiterbilden.

Wie kam es dazu, dass Ihr Euch für Kata im Allgemeinen und im Speziellen für die Selbstverteidigungskata Kodokan Goshin Jutsu interessiert und Euren Verein sowie den NJV in dieser Kategorie inzwischen sogar bei Meisterschaften vertretet?
Mit dem Bereich Kata kamen wir erst im Rahmen unserer Danvorbereitung in Berührung. In unserem „früheren Judoleben“ war die Nage no Kata noch kein Bestandteil der Kyu Prüfungen und unser Bewegungsbild nach der 20jährigen Matten-Pause --- „eingeschränkt“.
Mit viel Geduld und Verständnis für unsere Situation wurde uns von Kurt Teller und Sebastian Frey in Oldenburg der Weg zur erfolgreichen Prüfung geebnet.
Die Auseinandersetzung mit der Selbstverteidigungskata Kodokan Goshin Jutsu erfolgte eher zufällig durch den (mittlerweile regelmäßigen) Besuch von Jutta Milzer und Wolfram Diester sowie weiteren Judoka des TuS Bothfeld auf Borkum. Auch hier verdanken wir es dem Herzblut und der Langmut des Trainerteams, dass wir uns weiterentwickeln und zu persönlichen Erfolgen gelangen können. Inzwischen stehen uns auch Thomas Hofmann und Daniel Koliander (JSV Speyer) mit Rat und Tat zur Seite. Auch die Katame no Kata, Kime no Kata und Nage Waza ura no Kata sind im Zusammenhang mit Prüfungen mittlerweile Bestandteil unseres Trainings und wir nehmen dankbar jeden Lehrgang wahr, der sich erreichen lässt und ... möglichst an einem Samstag stattfindet.

Was wünscht Ihr Euch für die Judoabteilung des TuS Borkum für die Zukunft?
Ein Dojo! .... Regelmäßig gehen wir unserem Geschäftsführer mit diesem – nicht ganz ernst gemeinten - Wunsch auf die Nerven und freuen uns nun sehr über die Sanierung „unserer Judohalle“, auch wenn es uns das Mattenaufbauen nicht ersparen wird.
Besonders schön wäre es, wenn mehr Erwachsene – Anfänger, Wiedereinsteiger oder „Quereinsteiger“ aus anderen Kampfsportarten - sich von unserem Sport begeistern ließen und das Training durch ihre regelmäßige Teilnahme bereichern würden.

Vom NJV wünschen wir uns viele spannende und lehrreiche – möglichst mehrtägige – Lehrgänge. Maßnahmen wie der „Dan Kompakt“ oder die Sommerschule sind für uns die beste Möglichkeit, unser Judowissen zu vertiefen, mit anderen zu üben und sich auszutauschen - und vor allem die Freude am Judo zu erhalten und weiterzugeben.

Danke für das Interview und den inspirierenden Einblick in Eure Vereinsarbeit!

Weitere Infos über die Judoka vom TuS Borkum findet Ihr auf der Website des Vereins.

In einem Monat geht es dann schon weiter auf unserer Reise querbeet durchs Land. 
Wenn Ihr Empfehlungen für eine unserer nächsten Stationen habt, gebt uns Bescheid (Mail).