Bevor wir nun aber alle Trainererfolge von Gottfried auflisten und ihm zum verdienten Tragen des 7. Dans gratulieren – das würde ihm einfach nicht gerecht werden – möchten wir einen anderen Weg einschlagen. „Da Lobhudeleien um seine Person zum temporären Sympathieentzug führen“, so die mit einem Augenzwinkern versehene Einschätzung von Trainerkollege Sven Loll, haben wir ein paar seiner ehemaligen Athlet*innen und Kollegen zu Wort gebeten.
Herausgekommen ist das Portrait eines Mannes, der trotz aller Bescheidenheit als prägender Wertevermittler, Freund und vor allem als akribischer Judotrainer beschrieben wird.
Auf der Matte
Es ist dieses Leuchten in seinem „hellblauen, durchdringenden Blick“, das wohl den meisten in Erinnerung bleibt, sagt Martin von den Benken, der Gottfrieds Bekanntschaft bereits 1978 in der Judo-Bundesliga machte. Es blitzt auf, wenn er von einer Judoaktion ganz besonders begeistert ist oder wenn er einen noch ungeschliffenen Judo-Rohdiamanten vor sich sieht. Nicht, dass Gottfried Burucker dann in große Begeisterungsstürme ausbrechen würde. Mit Lob geht er eher sparsam um. Er ist stets fordernd und anspruchsvoll. „Wenn es eine fünf und keine sechs war, hat man sich schon richtig gefreut“, blickt 81-Kilo-Athlet Tim Gramkow auf die Arbeit mit seinem „nach außen etwas griesgrämig wirkenden, eigentlich aber ganz lieben“ Nachwuchs-Landestrainer zurück. Die genaue, detaillierte, akribische und dennoch geduldige Arbeit auf der Matte, das Pfeilen an Techniken und die Vermittlung eines Grundverständnisses von Judobewegungen werden von seinen Sportler*innen besonders hervorgehoben, darunter Olympiateilnehmer*innen wie Anja Scheffer (ehemals von Rekowski, OS 1996 und 2000), André Breitbarth (OS 2016) und Giovanna Scoccimarro (OS 2021). Es zeigt seine jahrelange Hingabe für den Sport, in erster Linie aber die für seine Schützlinge. „Für Gottfried stehen die Sportler*innen immer im Vordergrund, er versucht aus allen Judoka das Beste herauszuholen. Dafür stellt er seine Bedürfnisse hinten an“, sagt Landestrainer Raik Schilbach, der insbesondere in der Zeit von 2005 bis 2016 eng mit seinem Trainerkollegen zusammenarbeitete. Mit seiner manchmal unkonventionell erscheinenden Art, aber dem immer respektvollen Umgang mit seinen Sportler*innen, wurde er gerade für das Frauenjudo ein echter Vorreiter des Verbands. „Er ist uns Mädchen und Frauen voller Wertschätzung und Engagement begegnet“, sagt Anja Scheffer – die Basis für internationale Erfolge vieler weiblicher NJV-Judoka in den 90er und frühen 2000er Jahren, angefangen mit denen von Frauke Eickhoff (Weltmeisterin 1991, OS 1992). Mit den jüngsten Erfolgen von Giovanna Scoccimarro lässt sich diese Linie bis heute weiterziehen.
Auch für NJV-Größe Sven Loll, der 1996 nach Niedersachsen kam, wird „Gofi“ für „seine Sicht und Herangehensweise an fachliche und sportbezogene Probleme“ geschätzt.
... und neben der Matte ein Weggefährte
Trotz aller fachlichen Hingabe und seines immensen Judowissens, ist Gottfried Burucker nicht nur hinsichtlich seiner Arbeit in den Judohallen des Landes ein wichtiger Weggefährte vieler Judoka. „Aus einer beruflichen Zusammenarbeit wurde eine enge Freundschaft unserer aller Familien“, berichtet Sven Loll. Simon Voss, ehemaliger Kaderathlet und heutiges Vorstandsmitglied des SFV Europa in Braunschweig – der Region, in der Gottfried den Judosport seit jeher besonders fördert, ergänzt: „Zu wissen, dass jemand wie Gottfried da ist, der immer offen und ehrlich ist und bei Fragen und in schwierigen Situationen unterstützt, war und ist für mich ein wesentlicher Grund, weshalb ich dem Judosport aktiv und ehrenamtlich treu geblieben bin Auch Marco Nicolosi, ebenfalls früherer Braunschweiger Athlet, beschreibt Gottfried mit seiner „ungewöhnlichen Art“ als einen der wichtigsten Menschen seines Lebens. „Er ist ausgesprochen selbstlos und hilfsbereit. „Ich kenne keine Situation, in der ich mich nicht an ihn wenden konnte und in der er nicht für mich da war.“
Kein Wunder also, dass es Gottfried sogar in die Danksagung seiner Doktor-Arbeit schaffte:
My particular gratitude goes to my former judo coach and close friend Gottfried Burucker, who taught me to add the word ,yet’ to the sentence ,I cannot do it’.
Er ist nicht der einzige, den diese wichtige Lektion im Leben leitet. Auch Anja Scheffer und ihre Kinder begleitet der Satz „Ich kann das NOCH nicht!‘ bis heute.
„Wer rastet, der rostet!“
Neben den manchmal sehr ernsten, nachdenklich stimmenden Worten „ist Gottfried dank seines rustikalen Charmes ein Charaktertyp auf positive Art und Weise“, findet nicht nur Simon Voss. Aus seinem Abendgebet wurde wohl jede*r schon einmal gestrichen oder vor die Entscheidung zwischen „Sekt oder Selters“ gestellt. „Wie du dich bewegst, so alt will ich mal werden“, einer seiner vielen Sprüche. Geschafft hat er es inzwischen! Mit 67 Jahren ist – zumindest als Landestrainer des NJV - Schluss.
Hängen bleiben Erinnerungen an Tages- und Wochenlehrgänge, Übernachtungen im Dojo, Fahrten mit dem weißen Bulli und dem roten Caddy, ein interessanter Musikgeschmack, Birkenstocksandalen, Turnschuhe und graue Jogginghosen, gemeinsame Erfolge und Niederlagen, Strenge und Zuspruch. Vor allem aber „Trainingsgruppen, in denen sich alle wohlgefühlt haben“ und die mit „Herzblut und Humor“ geleitet wurden.
Um noch einmal auf die Eingangsworte einzugehen: Zwar endet Deine Ära am heutigen Tag offiziell, doch Du weißt selbst „Wer rastet, der rostet!“. Für deinen wohlverdienten Ruhestand wünschen wir Dir deshalb im Namen des NJV alles erdenklich Gute und danken für viele Jahre der erfolgreichen und loyalen Zusammenarbeit. Dass du unserem Sport auch in Deinem neuen Lebensabschnitt die Treue hältst und weiterhin Menschen durch Deine besondere Art – auf oder neben der Matte – inspirierst, davon sind wir überzeugt.
Im Namen aller Weggefährten, das NJV-Präsidium